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Autor Thema: Kupplungswechsel & Kupplungskunde  (Gelesen 22619 mal)

Offline MacSchreck

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Kupplungswechsel & Kupplungskunde
« am: 17. Mai 2011, 19:15 »
So,

zur allgemeinen Erbauung (außerdem hatte Marcel mal nach ner Dokumentation über den Kupplungswechsel im Forum angefragt).

Am Ende dieses Berichtes findet Ihr einen link zum Iltis-Wiki bezüglich der benötigten Ersatzteile und Werkzeuge!

Kurz vor Ostern wars, das Wetter: Kaiserwetter ! Also beste Voraussetzungen Iltis zu fahren, wären da nicht die üblen Schlaglöcher, die Ozonlöcher, die durchrutschende Kupplung usw.. Kurzum, beste Voraussetzungen sich in der Scheune zu verkriechen und am Gründonnerstag den Motor rauszurupfen.
Irgendwie wurde es dann doch Karfreitag aber der Motor war nun endlich draußen:



Das Bild kennt man ja schon. Im August war das ja auch schon zu sehen. Da hab ich die Ratschläge, außer das Ausrücklager, auch gleich die Kupplung zu  machen, großzügig in den Wind geschlagen.



Hier hängt er nun. Ich habe die Kupplungsdruckplatte bereits entfernt. Für die, die ihre Druckplatte anschließend weiterverwenden möchten, sei gesagt, daß man beim Lösen der sechs Innensechskantschrauben diese bitte über Kreuz in mehreren Stufen lösen sollte, damit sich die Druckplatte möglichst nicht verzieht.
Die Schwungscheibenschrauben habe ich per Schlagschrauber demontiert, das verhindert das Mitdrehen der Antriebswelle.



Hier die Druckplatte. Die war schuld. Ich hatte den weithin bekannten Effekt, daß die Betätigung immer schwerer ging und nach einem Jahr die Kupplung schließlich anfing durchzurutschen. Die Markierung zeigt, daß die Platte zuletzt nur noch innen auf dem schmalen Ring getragen hat (siehe Markierung).
Ich kann aber letztendlich beim besten Willen nicht sagen, was an der Druckplatte defekt ist. Nichts gebrochen zumindest. Das einzige, was ich erkennen konnte: Wenn man die Druckfedern horizontal betrachtet, sind diese halbseitig schief, d.h. die eine Hälfte der Federn steht höher als die andere Hälfte der Federn.



Hier zu sehen: Die Schwungscheibe. Die markierten Gewinde habe ich mittels Gewindebohrer M8x1,25 von verbliebener Schraubensicherung geräumt (insgesamt sind es natürlich sechs an der Zahl).
Die Lage der Scheibe ist durch die eine versetzte Bohrung unverwechselbar.



Hier gut zu sehen: Es kündigte sich gleich das nächste Problem an: Undichter Wellendichtring (Hersteller: Goetze, mit Linksdrall).





Öl in der Kupplungsglocke, wo es möglichst nicht sein sollte....



Und weils so schön war, gleich auch der nächste Schaden...
Naja immerhin die Genugtuung, daß sich eine Reparatur wirklich lohnt :D
Kann das jemand deuten? Die Nummer auf der Scheibe endet scheinbar auf 033N? Kann man aber nicht so gut erkennen...
Belagdicke (beide Beläge mit der Mittelfeder) ca.: 7,8mm.



Nächster Schritt: Das Zwischenblech abnehmen und den Flansch am Block von der alten Dichtungsmasse befreien. Ging mit Dichtungsschaber ganz gut.
Das Blech natürlich auch säubern.



Kupplungsglocke auch entölen...
Das Anlasserwellenlager habe ich nicht mit getauscht, weil ich das erst im August neu gemacht hatte.



Nachdem mich alle verrückt gemacht haben, hab ich mich entschlossen, auch den Dichtring an der Getriebeeingangswelle zu wechseln. Ausrücklager ausclipsen und die Führungshülse mit den drei Schräubchen abschrauben sollte eigentlich kein Problem sein.
Ich hab den Stützring des Dichtrings angebohrt und den Ring mittels eingedrehter Blechschraube per Kombizange rausgezogen. (Neuer Dichtring aus dem Zubehör: 20 x 35 x 7 ).



Mit einem geeigneten Rohr kann man den neuen Dichtring wieder eintreiben, wobei man nicht unbedingt einen Hammer benötigt. Per Handdruck ging meiner in den Sitz.





Hier zu sehen (ich habs nur angedeutet) vor dem Aufschieben des neuen Dichtrings, die Wellenverzahnung abkleben, um beim Aufschieben des neuen Rings die Dichtlippe nicht zu beschädigen.
Klebwickel bitte von innen nach außen, damit die "Treppen" die durch das Isolierband entstehen "ablaufend" sind.
Mit einem beliebigen passenden Rohrstück den Dichtring eintreiben.
Ich habe beim Montieren von Dichtringen mit Staublippe den freibleibenden Raum zwischen Staub- und Dichtlippe mit Fett (MOLYKOTE BR2plus) gefüllt.



Den Dichtring habe ich mit dem Spezialwerkzeug für Iltis Mat. Stufen, Ausziehhaken Nr.11, (von Reinhard geliehen, danke nochmal) ausgehebelt. Man kann erkennen, immer um den Umfang und schrittweise immer weiter. Wenn er aus der Bohrung etwas herausschaut, kann man vorsichtig den Stützring nach innen schlagen (der ist recht weich) und er lässt sich leicht aus der Bohrung entfernen. Daher die Delle an der Seite.
Innerhalb der Markierung kann man den Drall erkennen.





Hier der neue Dichtring (nur die Verpackung) von Reinz mit Linksdrall. Material FPM, Fluorkautschuk.
Das Einpressen habe ich auch mit dem Spezialwerkzeug (die Scheibe, siehe TDV, Einziehvorrichtung Nr.12. mit dazugehöriger Schutzkappe) vorgenommen.
Ich muß sagen, daß das Eintreiben mit Sicherheit auch mittels Durchschlag geschehen kann, vorsichtig und immer Schritt für Schritt um den Durchmesser herum.



Hier sitzt der neue Dichtring schon. Ersatz gibt es übrigens bei VW nur in Kombination mit dem Flansch, für lockere 100 Euro.
Der Dichtring aus dem Zubehör hat mich ca. 14 Euro gekostet !

Das war nochmal eine Wissenschaft für sich: Das Ausziehen des Pilotlagers. Ich hatte zunächst ungeeignetes Werkzeug, daher die Ausbrüche am vorderen Rand. Schließlich kam ich nicht umhin, mir einen Innenauszieher zuzulegen (28 Euro, von BUCO, Nr.53/6).
Auch eine Möglichkeit: Das Loch mit Fett füllen und den Zentrierdorn (oder ein vom Außendurchmesser her passendes Stück Stahlwelle) einschlagen. Das verdrängte Fett treibt dann das alte Pilotlager aus.
Das Pilotlager (original von VW) ist ab Werk gefettet.





Zum Innenauszieher gehört normalerweise auch ein Gerät zum Abstützen und zum Zugaufbringen (einem Abzieher ähnlich). Es geht aber auch mittels Gleithammer. Den hab ich mir von einem Karosseriespezialisten geliehen, der damit Beulen aus dem Blech zieht.
Nur mal so: Ich hatte den nach nem Gleithammer gefragt, daraufhin schaute der mich fragend an und meinte:" Ach du brauchst nen Wichser..."...öhm....



In den...äh...Gleithammer bekam ich maximal eine 8er Schraube hinein, der Innenauszieher hatte aber M10 Gewinde. Also zwei Muttern aufeinandergeschweißt. Hat wunderbar geklappt.



Hier das leere Loch, mit ohne Pilotlager....

Da ich noch auf die Kupplungsscheibe selbst wartete, bot sich die Gelegenheit den Riementrieb gleich mit zu inspizieren.
Den hatte ich im August vergangenen Jahres im Rahmen des Kopfwechsels auch erneuert.
Also mal schauen, wie er sich die letzten 3000km geschlagen hatte.

















Ich denke, der ist in bester Verfassung...der kann weiterdieseln.



Zwischen dem Zwischenblech und dem Getriebe ist normalerweise (originalerweise) eine Papierdichtung, die aber wohl entfallen ist und auch wohl kein Händler mehr anbietet.(Tobias sagte, er habe noch Dichtungen, im Zweifelsfalle beim Händler anfragen).
Da ich aber gern eine haben wollte (Trennung des Motors vom Getriebe ist mit der Silikonkautschukmasse schwieiger, da diese recht gut klebt), musste ich halt eine anfertigen.



Dichtungspappe von Reinz (Reinzoloid) in der Stärke 0,25mm.



Außenkonturen soweit wie möglich mittels aufgelegtem Zwischenblech nachzeichnen.



Als erstes die Löcher (16mm Henkellocheisen) an den Paßhülsen stanzen, stimmen die nicht, kann man die Dichtung komplett vergessen.



Anschließend die restlichen Löcher in den Grössen: 14mm, 10mm und 8mm.



Dann mittels geeigneter Radienlineale....



...die Innenkonturen zeichnen.



Dann kann man an das Ausschneiden der Außenkonturen gehen.



Es folgen die Innenkonturen....



Voila, die Dichtung ist perfekt.



Endlich, endlich, endlich .... meine neue Reibscheibe ! Ich hatte zuvor versucht die zivilen LUK oder SACHS Scheiben zu ergattern....absolute Fehlanzeige. Drei Händler haben schlußendlich meine Bestellung storniert. VW-Classicparts kann auch nicht liefern...( Im Zweifelsfalle die einschlägigen Iltis Teile-Händler kontaktieren ).
Druckplatten gibts wohl noch wie Sand am Meer...daran scheint kein Mangel zu sein.
Meine Reibscheibe habe ich schlußendlich bei "Wagner Armeefahrzeuge" bestellt. Dort hat man mir versichert, die Scheiben würden aus deren Erfahrung heraus keine Probleme machen.



Mit der gelieferten Qualität bin ich übrigens sehr zufrieden. Eine neu aufgearbeitete, alte Originalscheibe. Sehr zufriedenstellend wie ich finde.



Nun kann endlich der Zusammenbau beginnen.
Die Dichtung habe ich mittels Hylomar auf dem Träger fixiert.



Das neue Pilotlager habe ich mittels dieser Tiefbettnuß eingetrieben (Außendurchmesser 20,9mm).



Hier im grünen Kreis, das neue Pilotlager. Die Bezeichnungen (Schrift) sollen nach außen zeigen und das Lager soll ca. 1,5mm unter der Oberfläche des Wellenstumpfen eingepresst sein. (VW Nr.: 056 105 313 C).
Im roten Kringel das Feststellwerkzeug, um die Schwungscheibe zu arretieren. Mittels eingedrehter Schraube und Reifenmontierhebel kann man die Scheibe aber auch arretieren (siehe TDV), das braucht dann aber einen zweiten Mann.



Die Schrauben für die Schwungscheibe sollen gegen neu ersetzt werden (M10x1,0mm, lockere 16 Euro bei VW). Dort, wo die Druckplatte an der Schwungscheibe anliegt, hab ich auch noch einmal mit dem Dichtungsschaber für Planheit gesorgt.
Diese werden dann mit 75Nm angezogen. (Alexander meinte, dieser Wert sei überholt. Nach seinen Angaben geschieht das Anziehen mit 60Nm bzw. 90 Grad Drehwinkel. Ich möchte die 75Nm noch nicht streichen, weil ich jetzt ein bischen unsicher bin was angeraten ist.) Der Wert 75Nm ist so in der TDv angegeben.
Übrigens habe ich die Bohrungen vor der Montage der neuen Schrauben penibel von Öl befreit !!!!
Sechs mal VW ETKA Nr.: N 902 061 03 (M10 x 1,0 x 19,5).



Diesen Kunststoffzentrierdorn habe ich mir bestellt, passend für die Verzahnung der Mitnehmerscheibe (18,3x20,7mm, mit 24 Zähnen). Kostete 9 Euro. Habs kurz darauf für 4,50 Euro gesehen...:(



Dafür ist die Reibscheibe aber auch besonders schön zentriert, ich möchte bezweifeln, daß der 4,50 Euro Zentrierdorn das auch gekonnt hätte....:D





Die Innenseite der Kupplungsnabe soll gefettet werden. Ich habe dafür MOLYKOTE M77 Paste verwendet, die ich mit dem Pinsel dünn in die vorher gereinigte Verzahnung gekämmt habe, so daß es aussah, als ob es nur überlackiert worden wäre.
Auch die Verzahnung der Getriebeeingangswelle habe ich so behandelt. Den vorhandenen Lagerzapfen für das Pilotlager habe ich dünn mit Plastilube von TEROSON bestrichen.



So sieht das Ergebnis dann aus.
Die Inbusschrauben (grüne Kreise, sechs Schrauben insgesamt), die die Druckplatte halten, sollen über Kreuz und mit 25Nm angezogen werden.
Ich habe zusätzlich ein Tröpfchen Schraubensicherung in die Gewindebohrungen gemacht.
Achten muß man auch auf die Paßstifte (roter Kreis, drei an der Zahl), die in die vorgesehenen Bohrungen passen müssen.





Hier noch mal der Vollständigkeit halber, die alten Schrauben (ersetzt durch neue M8x16, VW Nr.: N 014 739 1).
Die alten Schrauben hatten die Festigkeit 8.8, die neuen Schrauben ebenso. Upgrade nach oben, jederzeit und nach belieben...:)



Nicht vergessen: Die Zwischenplatte soll mit Dichtungsmittel an den Block geklebt werden (rotes Oval, ich habe Dichtmasse von Würth genommen).
Wichtig: Die Zwischenscheibe passt nicht über die Schwungscheibe ! Also erst Zwischenblech, dann Schwungscheibe montieren.



Dieses Produkt von Würth hab ich als Dichtungsmittel verwendet. Das ist wohl ähnlich der Dirko HT Dichtmasse, in der Wirkungsweise.



Auch die Verzahnung des Anlasserzahnkranzes sollte auf Beschädigungen geprüft werden.

Im Iltis Wiki haben wir folgende Tabelle erstellt, die die Werkzeuge und Ersatzteile zur Kupplungsreparatur auflistet:

Teile - und Werkzeugliste für die Kupplungsreparatur

Feddisch, zumindest mit dem Kupplungswechsel. Der Rest ist Fleißarbeit, den Motor wieder reinzuprökeln und mit allen Verbindungen wieder zu versehen.

Ich hoffe, ich konnte den Kupplungswechsel ein wenig transparenter machen, ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Sollten gravierende Fehler technischer Natur vorhanden sein, einfach melden.Ich korrigier das dann oder erweitere oder ergänze das.

Alldieweil

Markus







Hallo Forum,

ergänzend zu meinem Vorbericht "Kupplungswechsel", nachfolgend einige, so wie ich meine, sehr interessante Ergänzungen allgemein technischer Natur.

Für die im folgenden Bericht verwendeten Diagramme und Textauszüge habe ich eine schriftliche Genehmigung des VIEWEG/TEUBNER/SPRINGER Verlags.(Bedingung ist eine korrekte Quellenangabe, die am Ende des Berichts folgt.)
Mit bestem Dank an Frau E.Lange, Lektorat Kraftfahrzeugtechnik.

Es ist im Forum schon vielfach dieser ominöse Effekt beschrieben worden, daß die Kupplung beim Iltis kurz vor ihrem Ende eine höhere Betätigungskraft erfordert, sich schließlich immer leichter treten lässt und letztlich durchzurutschen beginnt.
Die nachfolgenden Diagramme und Textauszüge sollen diesen Effekt erklären und somit transparent machen.
Zunächst eine Darstellung der Reibscheibe. Für uns hier im Iltis-Forum ist die linke Scheibe von Interesse, die mit der Bezeichnung "Zweistufiger Torsionsdämpfer":


Tabelle 1

Im darunterstehenden Diagramm angegeben der Verdrehwinkel in Abhängigkeit vom Drehmoment. Der Knick mit dem steilen linearen Anstieg der Kurve ist durch die zweite Stufe des Torsionsdämpfers zu erklären.

Im folgenden Diagramm, und hier beginnt das eigentlich interessante Gebiet, welches ich eingangs angesprochen habe, erfolgt eine Darstellung der Kennlinie der Kupplungsdruckplatte. Für uns ist wiederum die linke Ausführung interessant, mit dem darunterstehenden Diagramm:


Tabelle 2

Hier ist im Diagramm zu erkennen, daß der Scheitelpunkt der Ausrückkraftkurve mit zunehmendem Kupplungsverschleiß ansteigt, schließlich, bei sehr verschlissener Kupplung, steil und linear abfällt.


Auszug Tabelle 2

Hier das Diagramm etwas vergrössert dargestellt.

Im Folgenden die betreffende Textpassage aus der Studie:


Textauszug 1


Textauszug 2

Ich fand die Informationen sehr hilfreich, überdies sehr interessant. Ich hoffe, daß das eine ausreichende Erklärung für diesen oftmals beschriebenen Kupplungseffekt liefert.

Quellenangabe: Die Diagramme und Texte sind dem "Technischer Lehrgang Kupplungen (LUK)" mit der ISBN 3-528-04829-8 entnommen.
Tabelle 1: Seite 17, Bild 26
Tabelle 2: Seite 19, Bild 27
Auszug Tabelle 2: Seite 19, Bild 27
Textauszug 1: Seite 18
Textauszug 2: Seite 20

Alldieweil

Markus